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Max Verstappen, niederländisch-belgischer Formel-1-Pilot und Weltmeister 2021, fädelte den Honda-Boliden in die Boxengasse ein. Er musste den perfekten Standpunkt erwischen. Dann schaltete er in den Leerlauf, drückte die Bremse und hielt das Lenkrad fest. Zwanzig Mechaniker standen bereit, um sofort loszulegen.
Das hieß: Fahrzeug vorn aufbocken, Schlagschrauber mit Laserzielsystem aufsetzen, Schrauben lösen, Fahrzeug hinten aufbocken, Fahrzeug rechts und links durch Mechaniker absichern. Dann die glühend heißen, ungefähr drei Kilogramm schweren Räder abziehen. Schnell, schnell, schnell die neuen Räder aufstecken und mit den Schlagschraubern die Radschrauben anziehen. Nichts durfte dazwischenkommen. Jedes Zehntel zählte.
Sobald alles abgeschlossen war, gab Verstappen Gas bis zur optimalen Motordrehzahl. Als die Ampel Grün signalisierte, legte er den Gang ein und schoss aus der Box.
Was hat der Formel-1-Boxenstopp mit Projektmanagement zu tun?
Sie könnten einwenden, dass es keinesfalls um ein Projekt gehe, weil dessen Einzigartigkeit fehlen würde. Sie könnten argumentieren, dass es sich höchstens um ein Arbeitspaket handeln könnte, das während eines Rennens nach Bedarf immer wieder erledigt werden müsste.
Klar, doch ich habe diese kleine Szene aus der Formel 1 ausgewählt, weil mich der professionelle Mikrokosmos in der Boxengasse fasziniert. Ich sehe eine Reihe von Herausforderungen, mit denen auch Projektleiterinnen und Projektleiter konfrontiert sind. Damit meine ich den Umgang mit der knappen Ressource Zeit, das Berücksichtigen von Vorgänger- und Nachfolgerbeziehungen und den perfekt abgestimmten Umgang mit linearen und parallel ablaufenden Vorgängen.
Auch das Finden von optimalen Prozessabläufen und deren Realisierung sowie die Zuordnung von Verantwortung und Teamzusammenspiel beeindrucken mich immer wieder.
Zeit ist die wichtigste Währung im Projektmanagement und sehr oft ist sie ein knappes Gut. Wie kann Zeit überhaupt knapp werden, fragt Rüdiger Safranski in seinem Buch „Zeit: Was sie mit uns macht und was wir aus ihr machen“. Seine Antwort:
„Zeit selbst kann nicht knapp werden, sie wird knapp nur im Verhältnis zu bestimmten Vorhaben. Jede Tätigkeit, jedes Ereignis beansprucht eine bestimmte Dauer.
Steht dafür zu wenig Zeit zur Verfügung, weil zum Beispiel gleichzeitig andere Tätigkeiten und Ereignisse Zeit beanspruchen, wird die Zeit knapp. Sie kann auch deshalb knapp werden, und das ist der häufigste Fall, weil man die Dauer nicht richtig eingeschätzt hat, die ein Vorhaben benötigt.
Die Knappheit ist jedenfalls keine Eigenschaft der Zeit, sondern ein Problem, das mit ihrer Bewirtschaftung auftritt.“
Damit Projektarbeitende diese Herausforderung in den Griff bekommen, brauchen sie Transparenz und Struktur.
Das Erstellen eines Projektzeitplans ist dafür die beste Strategie.
„Der Langsamste, der sein Ziel nicht aus den Augen verliert, geht immer noch schneller als der, der ohne Ziel herumirrt“, sagte Gotthold Ephraim Lessing.
Bezogen auf das Projektmanagement empfiehlt es sich, jedes Vorhaben mit einem Projektauftrag zu beginnen.
Er beinhaltet Projektziel, Aufgaben und Verantwortlichkeiten und gibt Antworten auf diese Fragen:
Mithilfe eines Projektstrukturplans (PSP) zerlegt die Projektleiterin oder der Projektleiter das Projekt in seine Einzelteile, sprich Arbeitspakete. Damit schaffen sie Ordnung und Struktur über alle Tätigkeiten, die erledigt werden müssen.
Arbeitspakete werden auf den untersten Ebenen des PSP definiert, sodass auf deren Grundlage Kosten und Dauer geschätzt und gemanagt werden kann.
Aus der Struktur lassen sich für die Arbeitspakete wichtige Erkenntnisse ableiten: die Reihenfolge der Arbeiten sowie Vorgänger- und Nachfolgerbeziehungen. Aus diesen Bausteinen setzt sich das Gesamtbild zusammen, aus dem der Projektzeitplan erstellt wird.
Nun zeigt sich, welche Vorgänge gleichzeitig abgearbeitet werden können, welche Arbeiten zuerst erledigt werden können und welche warten müssen.
Konkrete Meilensteine lassen sich Stück für Stück ableiten. Spätestens jetzt müssen Sie entscheiden, wer welche Aufgaben übernimmt und wie viele Projektmitarbeiter notwendig sind, um die Liefergegenstände des Projekts rechtzeitig abzuliefern.
Planen Sie sorgfältig, aber nicht allein im stillen Homeoffice. Beziehen Sie Ihr Team rechtzeitig in die Planungen mit ein. So erkennen Sie rechtzeitig Zeit- oder Ressourcenengpässe.
Nun steht das Ziel, eine für Ihr Projekt passende Methode und Darstellungsweise zu wählen.
Das ist wichtig für das Steuern, zeitliche Anpassen und das Informieren über den Projektfortschritt.
Wie könnte Ihr Projektzeitplan aussehen, welche Form sollte er haben?
Möglichkeiten bieten sich dafür einige, lassen Sie sich von Ihrem konkreten Bedarf leiten:
Die häufigste Methode, um Zeit und Dauer in einem Projekt darzustellen, sind Balkendiagramme. Sie eignen sich besonders gut, um Meilensteine, Arbeitsdauer und Vorgänger- und Nachfolgerbeziehungen sichtbar zu machen. Jeder Balken stellt jede Projektmaßnahme dar. Er beginnt bei einem Startdatum und muss spätestens zum Enddatum abgeschlossen sein. Start und Ende sind oft durch eine Raute visualisiert. Die Länge des Balkens entspricht der Bearbeitungsdauer. Überlappende Balken haben Einfluss auf den Einsatz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Mit der Methode ermitteln Sie die Dauer eines Projekts. Der kritische Pfad – auch kritischer Weg oder Critical Path Method (CPM) genannt – führt auf kürzestem Weg zum Projektziel. Er besteht aus der längsten Reihung von Vorgängen, die unbedingt erledigt werden müssen, um das Projekt erfolgreich abzuschließen. Mit anderen Worten: Nur wenn diese Vorgänge erledigt sind, kann das Projekt zum frühestmöglichen Zeitpunkt abgeschlossen werden.
Ein Projektmanagement-Netzwerkdiagramm stellt die Aufgaben und den Workflow des Projekts grafisch dar. Es legt den Zeitplan und die Reihenfolge der Aktivitäten des Projekts fest. Felder und Pfeile verbinden Vorgänge und stellen Abhängigkeiten zwischen diesen dar.
Besonders im agilen Projektmanagement bietet sich statt eines Zeitplans die Nutzung des Kanban Boards für die Darstellung des Projektfortschritts an. Mit dem Board wird die Abarbeitung von User Storys dargestellt und optimiert. Ziel ist, Warteschlangen zu vermeiden, um das Team besser auszulasten. Oft bestehen Auftraggeber und Stakeholder auf einen Projektzeitplan. Dann gilt es, sie von den Vorzügen der agilen Zusammenarbeit zu überzeugen.
Denken Sie bitte daran, ihren Projektzeitplan zielgruppengerecht zu präsentieren. Verwenden Sie unterschiedliche Darstellungsebenen für den unterschiedlichen Informationsbedarf Ihrer Stakeholder. Das Team und Sie brauchen alle Details, die notwendig sind, um das Projekt erfolgreich zu steuern.
In großen Projekten zeigt sich der Projektzeitplan wie eine Tapete an der Wand des Büros. Möglicherweise würden sich Auftraggeber und Stakeholder frustriert abwenden, weil sie sich von den Bergen an Informationen abgeschreckt fühlen könnten. Sie benötigen eher eine High-Level-Darstellung, die nur aus einer Handvoll Meilensteinen besteht und in Phasen zusammengefasst wurden.