Scrum Retrospektive – Gemeinsam besser werden
Die Scrum-Retrospektive ist ein effektives Hilfsmittel, Probleme in der Teamzusammenarbeit sichtbar zu machen. Die Scrum Retrospektive schafft Klarheit, wenn etwas schiefläuft.
Doch auch Stärken macht sie sichtbar. Die Scrum Retrospektive ist einfach anzuwenden: zusammenkommen, miteinander reden, reflektieren, Maßnahmen umsetzen.
So verbessern Sie Schritt für Schritt ihre Projektarbeit.
Beispiel aus dem Projektalltag
„So geht das nicht weiter“, polterte Jonas, „einer kommt immer zu spät.“ Der Entwickler hasste Unpünktlichkeit.
Er glaubte, dass Bernd als Scrum Master das Thema nicht in den Griff bekam. Der Scrum Master notierte das Wort „Unpünktlichkeit“ auf ein Post-it, um es unter die Rubrik „weniger davon“ auf dem Flipchart zu kleben.
Doch Jonas meinte, Bernd müsste den Nachzüglern richtig Feuer unter dem Hintern machen. Die Teammitglieder hatten verabredet, pünktlich zum Daily Scrum zu erscheinen.
Wer zu spät kommt, wird bestraft: Fünfzig Cent in die Kaffeekasse, belegte Brötchen für alle mitbringen – solche Sachen.
Und was passierte? Nichts. „Klar, Nachzügler stören das Meeting. Doch es gibt Schlimmeres“, dachte Bernd, als er das Post-it anheftete. Etwas anderes bereitete ihm viel mehr Sorge. Das Team hielt sich nicht an Absprachen. Offensichtlich setzte es fehlerhafte Einträge im Product Backlog um, ohne nachzufragen.
Auch der Product Owner arbeitete schlampig und lieferte falsche User Stories. „Wenn das so weitergeht, haben wir ein Problem“, schoss es Bernd durch den Kopf. Er nahm ein weiteres Post-it, notierte die Worte „fehlerhaftes Backlog“ darauf und hielt es in die Luft.
„Was ist hier passiert?“, fragte er in die Runde. „Uns war schon klar, dass da was falsch lief“, gab ein Entwickler zurück. Bernd heftete den Zettel an das Flipchart unter die Rubrik „damit aufhören“.
Es herrschte Stille im Raum. Niemand sagte etwas, auch Bernd sagte nichts. Stille kann laut sein, wusste er. „Wie wollen wir solche Fehler zukünftig vermeiden?“ Er sah die Teilnehmer erwartungsvoll an.
Scrum-Retrospektive im Scrum Guide
In diesem früheren Beitrag beschrieb ich Rollen, Meetings und Artefakte im agilen Projektmanagement.
Zu den wesentlichen Meetings gehören Sprint Planning, Daily Scrum, Scrum Review sowie Scrum-Retrospektive. Im Review präsentiert das Scrum-Team die Ergebnisse eines Sprints.
Product Owner und Stakeholder akzeptieren die fertiggestellten Funktionen oder Liefergegenstände, wenn sie im Rahmen der „Definition of Done“ fertig sind. Oder sie lehnen sie ab.
Hier steht die Frage im Vordergrund: „Was wurde geliefert?“ Die Scrum Retrospektive verfolgt das Ziel, zu reflektieren, was in der Zusammenarbeit gut und was weniger gut gelaufen ist. In der Scrum-Retrospektive dreht sich alles um die Frage: „Wie wurde geliefert?“
Im Scrum Guide® beschrieben Ken Schwaber und Jeff Sutherland die Sprint-Retrospektive als Möglichkeit für das Team, seine Arbeit selbstkritisch zu hinterfragen, um aus den gewonnenen Erkenntnissen Verbesserungen für die zukünftige Arbeit abzuleiten.
Konkrete Informationen über den Ablauf der Sprint Retrospektive findet der Leser nicht. Für diesen Beitrag verwende ich den Begriff Scrum Retrospektive als Synonym.
Zeitpunkt und Teilnehmer
Die Scrum-Retrospektive findet nach einem abgeschlossenen Sprint statt.
Das Team und der Scrum Master können sich auch nach dem Abschluss eines wichtigen Meilensteines oder zum Projektende zusammensetzen, um ihre Zusammenarbeit zu reflektieren. Zum Scrum-Team gehört der Product Owner, deshalb nimmt er an der Scrum-Retrospektive teil.
Wertvolles Feedback liefern Kunden, wenn sie über ihre Eindrücke im Umgang mit dem Scrum-Team berichten. Gern gesehen sind weitere wichtige Stakeholder wie Lieferanten oder externe Unterstützer. Ihre Rückmeldungen sorgen für unterschiedliche Perspektiven und ermöglichen den Blick aus verschiedenen Richtungen.
Der Scrum Master sorgt für den organisatorischen Rahmen. Er lädt die Teilnehmer ein, bucht den Besprechungsraum, kümmert sich um die passende Ausstattung mit Büromaterial, moderiert die Veranstaltung und fasst die Besprechungsergebnisse zusammen. Er achtet darauf, dass das Treffen im zeitlichen Rahmen bleibt. Dazu nutzt er das Timeboxing-Verfahren.
Nach dem Meeting ermuntert der Scrum Master die Teilnehmer immer wieder, die ausgearbeiteten Verbesserungsvorschläge in die Tat umzusetzen.
Fünf Phasen der Scrum-Retrospektive
Der Scrum Master sorgt dafür, dass die Regeln für effektive Besprechungen eingehalten werden.
Es hat sich etabliert, die Scrum-Retrospektive in fünf Phasen zu unterteilen:
1. Ankommen: Der Scrum Master eröffnet das Treffen und stimmt die Teilnehmer auf das Kommende ein. Er bittet sie, ihre Smartphones abzustellen und alle Tätigkeiten abzuschließen, die von der Besprechung ablenken könnten. Er weist darauf hin, dass Vertrauliches vertraulich bleibt, sensible Informationen müssen im Raum bleiben. Schuldzuweisungen gegenüber anderen Teilnehmern werden untersagt.
2. Daten sammeln: Nun sammeln die Teilnehmer Daten, Informationen, Fakten und Hinweise, die ihre Zusammenarbeit beschreiben. Welches waren wichtige Ereignisse? Gefühle sind durchaus wichtige Rechercheergebnisse.
3. Einsichten erzeugen: In dieser Phase leiten die Teilnehmer aus den gesammelten Daten Erkenntnisse ab. Warum ist die Situation so, wie sie ist? Was sind die Gründe für bestimmte Ereignisse? Wo liegen deren Ursachen?
4. Entscheidungen treffen: Jetzt wird es spannend, denn es gilt, aus der Analyse die richtigen Schritte abzuleiten. Welche konkreten Aufgaben müssen wir erledigen, um die Zusammenarbeit zu verbessern? Das können neue oder angepasste Regeln sein, wie die zukünftige Arbeit gestaltet werden soll. Es geht weniger darum, möglichst viele Dinge zu realisieren, wichtiger ist, das Passende zu tun. Sich auf das Wesentliche konzentrieren – weniger ist mehr. Während des Treffens müssen die Verantwortlichen geklärt werden. Wer kümmert sich um was?
5. Retrospektive abschließen: Kurz vor Abschluss erfragt der Scrum Master ein Stimmungsbild. Er möchte wissen, wie die Teilnehmer das Treffen empfunden haben. Dann schließt er die Veranstaltung, jedoch nicht, ohne das Team nochmals zu motivieren, die entwickelten Maßnahmen auch wirklich in die Praxis umzusetzen. „Es ist nicht genug, zu wissen – man muss auch anwenden, es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun“ (Goethe).
Fünf Tipps für Moderatoren
1. Bereiten Sie die Scrum-Retrospektive sorgfältig vor: Bitten Sie die Teilnehmer, Erfahrungen, kritische Bemerkungen, Fakten und Gefühle innerlich vorzubereiten und Verbesserungsvorschläge vorzudenken. Buchen Sie rechtzeitig einen Meetingraum. Beschaffen Sie alle notwendigen Büromittel wie Flipchart, Stifte, Post-its. Sorgen Sie für gute Stimmung, indem Sie Kaffee, Wasser, Kekse oder Obst ordern.
2. Gehen Sie grundsätzlich davon aus, dass Product Owner, Scrum Team und Stakeholder zu jedem Zeitpunkt nach bestem Wissen, Gewissen und Kenntnisstand gehandelt haben (Prime Directive).
Ziel der Scrum-Retrospektive ist, die Zusammenarbeit zu verbessern. Sie ist nicht dazu da, Schuldige zu finden und an den Pranger zu stellen. Moderieren Sie das Meeting wertschätzend. Kritik ist ausdrücklich erwünscht, muss jedoch konstruktiv vorgetragen sein.
3. Wenn die Gruppe zu groß ist, teilen Sie sie. Sonst geht die intime und gesprächsfördernde Atmosphäre verloren. Eine Teilnehmerzahl von ca. fünfzehn Personen sollte nicht überschritten werden.
4. Hören Sie aktiv zu. Nehmen Sie das Gesagte bewusst wahr, achten Sie nicht nur auf Inhalte, sondern berücksichtigen Sie auch Gefühle. Fragen Sie nach, wenn etwas Ungeklärtes übrigbleibt.
5. Fassen Sie die Ergebnisse zusammen und dokumentieren Sie sie.
Weiterbildungs-Tipp:
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Über den Autor
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