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Claim Management für Projektmanager

Claim Management für Projektmanager
Claim Management
Streit während der Abnahme des Liefergegenstandes, unterschiedliche Auffassungen zur Produktqualität, mündliche Terminzusagen – das ist der Nährboden für Claims im Projektmanagement. Claims sind Ansprüche oder Forderungen, die ein Projektleiter an Vertragspartner geltend machen kann. Aber auch Kunden sowie Lieferanten können Claims an das Projekt stellen. Wie Sie aktives Claim Management für Ihr Projekt nutzen, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Claim Management - "Claims abstecken"

"Claims abstecken" - dieses geflügelte Sprichwort beschrieb Jack London in seiner Erzählung „Eine Tochter des Nordlichts“. Die Geschichte spielte in Alaska während der Zeit des Goldrausches, irgendwann zwischen den Jahren 1896 und 1899. „Im Herbst waren alle Bewohner der unteren Landesteile auf der Goldsuche nach Westen gezogen. Markierungspfähle wurden haufenweise eingerammt, sowohl auf Elchweiden wie an Bächen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das nächste Regierungsbüro in der Polizeikaserne von Fort Cudahy, gerade gegenüber Forty Mile am Fluss. Die Leute sahen mit gierigen Augen auf den herrenlosen Claim, wo, wie sie wussten, Tausende von Dollars auf Schaufeln und Pfannen warteten. Und doch wagten sie nichts zu unternehmen, denn das Gesetz sagte, das sechzig Tage zwischen dem Einrammen der Pfähle und dem Registrieren vergehen dürften, und unterdessen war ein Claim völlig unantastbar.“ Auch heute, in der modernen Businesswelt, ist es notwendig, Claims abzustecken. Doch der Projektleiter fordert Ansprüche weder mit Hacke oder Schaufel ein noch wehrt er diese mit Pistole oder Büchse ab.

Welche Möglichkeiten bieten sich dem Projektleiter für Claim Management?



Claim Management im PMI Standard

Der englische Begriff Claim wird mit „Forderung“, „Anspruch“ oder „Klage“ übersetzt.

"Im Projektmanagement hat sich der deutsche Begriff Beschwerde- oder Forderungsmanagement etabliert"

Claim Management umfasst das Verwalten von Ansprüchen oder Forderungen und verfolgt das Ziel, die daraus erwachsenen Bestände und Verluste zu minimieren. Das Project Management Institute (PMI®) definiert Claims als „Eine Anforderung, eine Forderung oder die Geltendmachung von Rechten eines Verkäufers gegenüber einem Käufer oder umgekehrt, die das Erbringen einer Gegenleistung, einer Entschädigung oder einer Zahlung gemäß den Bedingungen eines rechtlich bindenden Vertrages zum Gegenstand hat, beispielsweise einer umstrittenen Änderung.“ Claim Management, den Umgang mit Forderungen, beschreiben die Autoren des Guide to the Project Management Body of Knowledge (PMBOK® Guide) im Wissensgebiet 12 Beschaffungsmanagement in Projekten im Kapitel „Abwicklung von Ansprüchen“.


Forderungsarten im Projektmanagement

Für das Claim Management erscheinen Claims aus unterschiedlichen Perspektiven.
  • Eigen-Claim: Das Projekt stellt Ansprüche an den Vertragspartner.
  • Fremd-Claim: Der Vertragspartner stellt Ansprüche an das Projekt.
  • Sach-Claim: Zum Beispiel kann der Liefergegenstand nur unvollständig fertiggestellt worden sein. Er enthält nicht den im Vertragswerk beschriebenen Funktionsumfang.
  • Termin-Claim: Zum Beispiel wurde der vereinbarte Fertigstellungstermin überschritten. Es gab unerwartete Verzögerungen, die durch Planungsfehler oder nicht beachtete Vorgänger- und Nachfolgerbeziehungen entstanden sind. Oder ein avisierter Termin (z. B. Messeauftritt) kann nur mit zusätzlichem Ressourceneinsatz, das heißt, mit zusätzlichen Kosten erreicht werden. Diese zusätzlichen Kosten werden vom Vertragspartner nicht akzeptiert.
  • Finanz-Claim: Zum Beispiel wurden Vergütungen nicht in der vereinbarten Höhe gezahlt. Nebenkosten wurden falsch oder unzureichend ausgewiesen. Oder es kommt zu Schadensersatzforderungen, weil der Auftragnehmer das Eigentum des Auftraggebers beschädigt hat.


Claim Management für Projektleiter

Das Vertragswerk für den eigenen Nutzen auszulegen und den Partner damit zu benachteiligen, ist im Projektalltag nicht ungewöhnlich. Die Szenarien sind vielfältig: Änderungen im Projektablauf wurden nicht formal bestätigt, es kommt zu Missverständnissen hinsichtlich der termingerechten Lieferung oder bereitgestellten Qualität. Daraus können Konflikte entstehen, die zu Forderungen führen. Idealerweise verhandeln die Vertragspartner, um für beiden Seiten gewinnbringende Lösungen zu entwickeln. Gelingt das nicht, können Forderungen zu Rechtsstreitigkeiten führen. Mit anderen Worten:

Der Projektleiter sollte wachsam sein und sich rechtzeitig um Claim Management kümmern.

  • Basis schaffen: Am Anfang der Lieferantenbeziehung steht die Vertragsgestaltung. Parallel zu den Gesprächen mit dem Geschäftspartner wäre es sinnvoll, dass sich der Projektleiter auf das Claim Management bewusst vorbereitet.
    Im Rahmen des Risikomanagements könnte er, gemeinsam mit dem Projektteam sowie Experten aus den Abteilungen Einkauf und Recht, Szenarien entwickeln.
    Welche Ansprüche könnten Kunden gegenüber dem Projekt einfordern? Wie sollte das Projekt gegenüber Vertragspartnern Ansprüche geltend machen? Welche Strategie hinsichtlich Claim Management wäre für das Projekt passend?
  • Liefergegenstände abnehmen: Am Ende eines Projektes oder einer Projektphase steht die Abnahme des Liefergegenstandes. Aus rechtlicher Sicht handelt es sich um einen entscheidenden Meilenstein. Denn unter anderem erfolgt mit der Abnahme der Gefahrenübergang vom Auftragnehmer zum Auftraggeber. Die Gewährleistungsfrist beginnt.
    Ab dem Abnahmezeitpunkt muss der Auftraggeber dem Auftragnehmer Mängel nachweisen, falls etwas nicht in Ordnung ist. Im Projektalltag sind Teilabnahmen üblich.
    Das heißt, dass umfangreiche Produkte, Services oder Investitionsgüter nach einem, im Vorfeld gemeinsam festgelegten Umfang, abgenommen und auch bezahlt werden. Die (Teil-)Abnahme ist ein wichtiger Meilenstein im Projektgeschäft und sollte deshalb sorgfältig vorbereitet werden.
  • Claims managen: Kommt es zu Ansprüchen oder Forderungen, gilt es strukturiert vorzugehen. Claim Management beginnt zunächst damit, die vertragliche Situation zu analysieren und den Ansprüchen gegenüberzustellen.
    Gibt es Abweichungen, sind diese in einer separaten Liste zu sammeln. So entsteht eine kompakte Übersicht. Im nächsten Schritt sind Ansprüche aus rechtlicher, technischer, organisatorischer und betriebswirtschaftlicher Sicht zu bewerten.
    Welche Schadenshöhe wäre zu kalkulieren? Welche Auswirkungen haben die Ansprüche auf Zeit und Geld im Projektablauf? Abschließend wären die nächsten Schritte zu planen. Welche Claim Management Strategie wäre zu verfolgen? Defensiv? Aggressiv?


Claim Management - Tipps für Projektleiter

  • Überwachen: Bleiben Sie wachsam. Dokumentieren Sie Ansprüche während der gesamten Vertragsdauer. Aktualisieren Sie diese Übersicht regelmäßig.
  • Dokumentieren: Im Konfliktfall stellt sich die Frage, ob Forderungen begründet sind. Wie kann der Projektleiter Ansprüche belegen? Durch Dokumentation. Deshalb gilt: Keine Abnahme ohne Abnahmeprotokoll! Nutzen Sie eine Liste, um die Abnahme zu dokumentieren.
    Führen Sie alle relevanten Positionen auf, haken Sie diese während der Übergabe ab und halten Sie offene Punkte und Mängel schriftlich fest. Fixieren Sie das Datum der geplanten Erledigung und ordnen Sie jedem offenen Punkt einen Verantwortlichen zu.
    Abschließend müssen beide Vertragspartner die Liste unterschreiben.
  • Geschickt handeln: Wie soll der Projektleiter im Claim Management agieren? Hierzu bieten sich unterschiedliche Strategien an. Auf der einen Seite steht das zurückhaltende, nachgebende Verhalten beim Einfordern von Ansprüchen.
    Hier steht die kooperative Zusammenarbeit mit dem Vertragspartner im Vordergrund weniger das Beharren auf eigene Positionen. Auf der anderen Seite steht das massive Eintreten für Ansprüche, um rücksichtslos die eigenen Interessen durchzusetzen.
    Wie immer, leitet sich die passende Strategie von den Zielen des Projektes ab. Doch denken Sie daran: Konflikte über einen Anwalt auszutragen, ist eine zeit- und kostspielige Angelegenheit. Die erste Wahl stellen sicherlich Verhandlungen dar, um sich im aktiven Austausch über strittige Positionen zu einigen.


Über den Autor

Werner Plewa
Projektmanager

Experte für berufliche Weiterbildung und Personalentwicklung. Kontaktanfrage gerne auch bei LinkedIn:


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