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Tyrannosaurus zerlegt Haus
Kürzlich – auf einer Baustelle in Hamburg – beobachtete ich eine Abrisszange bei der Arbeit. Ein Arbeiter saß in einem Komatsu-Bagger und steuerte sie mithilfe von Steuerknüppeln über Ölschläuche und Hydraulikzylinder.
Die Abrisszange ähnelte dem Schädel eines Tyrannosaurus mit Reißzähnen. Der Baggerfahrer lenkte sie ins oberste Geschoss des Gebäudes und suchte die passende Angriffsfläche. Dann biss er zu, zerrte, riss und stieß an Betonplatten, Stahlträger und Holzpfosten. Schutt und Brocken stürzten zu Boden. Dichte Staubwolken stoben gen Himmel. Doch Arbeiter, bewaffnet mit Feuerwehrschläuchen, prall mit Wasser gefüllt, hielten sie in Schach.
Es war klar: Bald würde das ehemals prächtige Gebäude zusammenbrechen. Offensichtlich brauchte der Bauherr Platz für einen Neuanfang. „Hätte ein Umbau nicht gereicht?“, schoss es mir durch den Kopf.
Der Neuanfang ist wohl die massivste Änderung. Wie wäre der Besitzer wohl bei einem Umbau vorgegangen?
Wie gehe ich in meiner Projektarbeit am besten vor, um Neues in das Bestehende einzufügen?
Veränderung kann schwierig und unangenehm sein, denn wir müssen Vertrautes zurücklassen. Damit treten wir aus der Komfortzone. Es ist doch viel einfacher, mit Bekanntem umzugehen. Denn wer kann schon mit Gewissheit sagen, wohin uns der neue Weg führen wird? Jedoch: Ohne Änderung gibt es kein Wachstum; ohne Änderung gibt es keinen Fortschritt. Sich anzupassen ist die wesentliche Voraussetzung, um Änderungen zu nutzen, anstatt von ihnen überrollt zu werden.
Was ist unter dem Begriff Änderung im Projektmanagement zu verstehen? Mit welchen Änderungen müssen sich Projektleiterinnen und Projektleiter auseinandersetzen? Wie gehen sie am besten mit Änderungen um?
Der PMBOK Guide Seventh Edition vom Project Management Institue (PMI®) liefert dazu erklärende Definitionen:
Änderungen können aus internen Einflüssen (zusätzlicher Funktionsumfang eines Produktes) oder externen Ursachen (z. B. technologischer Fortschritt) resultieren.
Bei einer umfangreichen Produktentwicklung können zum Beispiel zusätzliche funktionale und nichtfunktionale Anforderungen folgen, die Zeit- und Kostenplanungen nach sich ziehen. Abhängig von Umfang und Komplexität können auch weitere Pläne wie Risiko, Qualität oder Ressourcen betroffen sein.
Damit aus Ihren Änderungen kein Neuaufbauprojekt wird, habe ich fünf praxistaugliche Tipps für Sie zusammengestellt.
Wie in vielen Bereichen des beruflichen und privaten Lebens gilt der folgende Grundsatz auch für Projektleiterinnen und Projektleiter:
Machen Sie sich deutlich bewusst, was Sie ändern wollen oder müssen und warum es genau diesen Änderungsbedarf gibt.
Kennen Sie Ihre Ziele, die Sie (oder der Auftraggeber) mit den Änderungen verfolgt?
Je klarer Sie diese Ziele beschreiben können, desto besser sind Sie in der Lage, eine Strategie zu entwickeln, um das Änderungsvorhaben in die Tat umzusetzen.
Das Definieren von Zielen ist nur die halbe Miete. Machen Sie den nächsten Schritt!
Was wäre zu tun, um die Ziele umzusetzen? Es braucht einen Plan!
Planen Sie konkrete Schritte, um die Änderungen zu realisieren. Bitte bedenken Sie: Je später Sie einen Fehler entdecken, um ihn dann mit einer Änderung zu korrigieren, umso teurer wird es. Es ist nun mal kostspieliger, Services oder Produkte spät im Lebenszyklus zu modifizieren.
Der PMBOK Guide Seventh Edition beschreibt in den Abschnitten 4.2.4.1 bis 4.2.4.5 Modelle für Veränderungen, die Teams nutzen können, um den „Übergang vom gegenwärtigen in den angestrebten künftigen Zustand bewerkstelligen zu können“.
Welchen Änderungsprozess würde ich Ihnen empfehlen? Selbstverständlich, es kommt darauf an.
Aus meiner Erfahrung wäre der folgende Ablauf sinnvoll:
Zuerst formulieren Sie den Änderungswunsch und halten alle relevanten Daten – in einem von Ihrem Projekt hilfreich empfundenen Formblatt – fest. Möglicherweise gibt es ja nicht nur diese eine Änderung, sondern Sie rechnen mit weiteren.
Lassen Sie den zu erwartenden Aufwand und mögliche Seiteneffekte von Experten bewerten und halten Sie die Ergebnisse auch im Formblatt fest.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist es empfehlenswert, aktives Stakeholder-Management zu betreiben. Sorgen Sie dafür, dass alle von den Änderungen Betroffenen und Beteiligten informiert werden.
Nun kommt der Zeitpunkt zu entscheiden, ob und wie die Änderungen realisiert werden sollen. Und wenn es viele gibt, in welcher Reihenfolge das geschehen soll.
Für diese Aufgabe brauchen Sie ein Steuerungsgremium, das Change Control Board (CCB).
Im PMBOK® Guide Seventh Edition ist das CCB definiert als: „Eine formell beauftragte Gruppe, die für die Prüfung, Bewertung, Genehmigung, Verschiebung oder Ablehnung von Änderungen an dem Projekt verantwortlich ist, diese Entscheidungen und Empfehlungen dokumentiert und kommuniziert.“
Einflussreiche und wichtige Stakeholder sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können gegenüber Veränderungen zugewandt oder ablehnend eingestellt sein.
Im günstigen Fall unterstützen sie das Vorhaben, im schlechten Fall verfolgen sie entgegengesetzte Ziele.
Für Sie als Projektleiterin oder Projektleiter heißt das, besonderes Augenmerk auf eine transparente und wertschätzende Kommunikation zu legen.
Wie können Sie dieses Ziel am besten verwirklichen?
Grundsätzlich ist zu empfehlen, eine Kultur der Offenheit und Disziplin als festen Bestandteil im stürmischen Meer der Änderungen zu etablieren.