Vor etlichen Jahren, in einem amerikanischen Konzern, passierte einem Projektleiter ein schwerwiegender Fehler, der dem Unternehmen hunderttausende Dollar kostete. Wenige Tage später rief der CEO den Projektleiter zu sich ins Büro. Der stieg mit weichen Knien in die oberste Etage.
Der Boss fragte den Projektleiter, ob er wüsste, warum er ihn rief. „Natürlich“, sagte der Projektleiter. „Ich habe Mist gebaut. Sie müssen mich feuern.“ Der Boss fixierte ihn mit einem langen Blick, dann antwortete er: „Entlassen? Kommt nicht infrage! Ich habe gerade 600.000 Dollar in Ihre Weiterbildung investiert.“
Diese Anekdote wird dem IBM-Gründer Thomas John Watson Senior zugeschrieben und gilt als das Beispiel über Fehlerkultur in Unternehmen.
Das Project Management Institute beschreibt Lessons Learned im Guide to the Project Management Body of Knowledge als gesammelte Erfahrungen und „während eines Projektes gesammeltes Wissen, das zeigt, wie Projektergebnisse behandelt wurden oder in Zukunft behandelt werden sollen, um die künftige Leistung zu verbessern.“
Lessons Learned generieren Nutzen während des gesamten Projektablaufes, das heißt von der Initiierung bis zum Abschluss. Im PMBOK® Guide sind Lessons Learned als wichtiges Projektdokument in allen 10 Wissensgebieten vertreten.
Wie sammelt der Projektleiter Lessons Learned, um sie für seine Projektarbeit zu nutzen?
Denkbar wäre, per Mail die wichtigsten Erfahrungen bei seinen Projektkollegen abzufragen. Auch das persönliche Gespräch oder per Telefon bzw. Videokonferenz wäre hilfreich, um Feedback zu erhalten.
Doch den größten Nutzen verspricht, ein dediziertes Meeting für Teammitglieder, Stakeholder und Kunden einzuberufen, um gemeinsam nach wertvollen Erfahrungen zu schürfen.
Das Lessons-Learned-Meeting dient dem Projektteam, aber auch Stakeholdern und Kunden als Plattform, ihre Eindrücke zum Projektablauf zu reflektieren. Idealerweise verschickt der Projektleiter eine Terminanfrage mit zeitlichem Vorlauf, sodass die Kollegen den Termin einplanen und auch wahrnehmen können.
Die Einladung enthält Fragen, sodass sich die Teilnehmer auf das Meeting vorbereiten können. Manchmal hilft es, Ungeklärtes eine Weile mit sich herumzutragen und sein Unterbewusstsein nach Antworten suchen zu lassen.
Ein neutraler Moderator führt die Besprechung durch. Seine Aufgabe ist, eine konstruktive Atmosphäre zu schaffen. Die Teilnehmer sollten sich trauen, offen zu reden.
Ziel des Moderators ist, Distanz abzubauen, konstruktives Feedback einzusammeln und das Aufbrechen alter Konflikte zu vermeiden. Lessons Learned bedeutet: erinnern und erkennen.
Vermutlich werden sehr viele Informationen zusammenkommen, jedoch nicht alles wird verwertbar sein. Die letzten fünfzehn Minuten des Lessons-Learned-Workshops könnten zum Strukturieren der Informationen, dem Aussortieren unwichtiger Informationen und dem Zusammenfassen in übergeordnete Themen genutzt werden.
Ziel ist es, die gesammelten Erfahrungen so aufzubereiten, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt lesbar und verständlich sind – auch für Unbeteiligte, sofern die Veröffentlichung geplant ist.
Der Projektleiter verabredet mit dem Team, welcher Nutzerkreis auf die Lessons Learned zugreifen darf.
Nach dem Meeting lagert der Wissensbestand an einer zentralen Stelle, gut zugänglich für die Projektmitglieder, geschützt mit einem Rollenkonzept vor unbefugtem Zugriff.
Idealerweise sind die Datensätze der Lesbarkeit halber redaktionell bearbeitet und mit Schlagworten versetzt, um ein Wiederfinden der Informationen sicherzustellen.
Nicht alle Erkenntnisse sind für jeden Leser sinnvoll. Manchmal ist es nicht erwünscht, „schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit zu waschen.“ In diesem Fall bleiben die Ergebnisse nur im Team. Manchmal ist auch aus Gründen der Geheimhaltung nicht erlaubt, Lessons Learned zu veröffentlichen.
Lessons Learned sind bares Geld, wie die kleine Geschichte oben zeigt. Doch neben dem wirtschaftlichen Nutzen gibt es weitere Vorteile: