Wir haben bereits erläutert, inwieweit Führung im Projekt anders verläuft als in der Linie. Da die Unterschiede durchaus erheblich sind, fragt sich, ob man klassische Führungstheorien überhaupt aufs Projektmanagement übertragen kann.
Wir sagen Ja und Nein zugleich!
Innerhalb der klassischen Führungsstile geht es um Dimensionen wie finale Entscheidungsgewalt, Mitspracherecht und das Anweisen bzw. Zuteilen von Aufträgen. Hier haben Projektleiter deutlich weniger Entscheidungsbefugnisse und sind verstärkt auf die Kooperation von Projektmitgliedern angewiesen als ihre Kollegen in der Linie. Motivationsfähigkeit und Organisationsgeschick sind daher weitaus höher einzuschätzen als die Autorität qua Position!
Betrachtet man die verschiedenen Führungsstile, hat sich eine Vielzahl möglicher Kriterien herausgebildet. Prinzipiell lassen sich ein- und mehrdimensionale Stile unterscheiden, je nachdem wie viele Einflussgrößen berücksichtigt werden.
Eine solche Größe ist beispielsweise die Partizipation der Mitarbeiter an betrieblichen Entscheidungsprozessen.
Hier wird erkennbar, dass die Beteiligung von Mitarbeitern vom ersten Modell an kontinuierlich wächst. Das hat Vor- und Nachteile, die sich jedoch nicht automatisch einstellen müssen.
Innerhalb von Projekten muss beachtet werden, dass sich die Form der Zusammenarbeit sehr unterschiedlich gestaltet – von klassisch geführten Projekten, in denen Projektleiter stark steuern, bis hin zu sehr frei und iterativ ablaufenden Projekten, die agil einer Selbstorganisation unterliegen (Das greifen wir im letzten Teil unserer Serie auf).
Insofern lassen sich Aussagen zum Führen von Projekten nie verallgemeinern, dennoch eine Tendenz aufzeigen. Betrachten wir einige der „Klassiker“ genauer!
... verlangt von den Mitarbeitern eine deutliche Unterordnung. Hier dominieren Anweisungen und strenge Kontrollen, wohingegen Eigeninitiative und Ideen eher erstickt werden.
Mögliche Reaktionen von Mitarbeitern können verdeckte oder gar offen gezeigte Aggressionen sein, wenig innerbetriebliche Solidarität und womöglich ein verändertes Arbeitsverhalten, sobald die Führungskraft die Kontrolle lockert, beispielsweise nicht anwesend ist.
Das Leistungspotential kann als eher gering eingestuft werden, wobei unter bestehendem Druck manchmal hohe Leistungen möglich sind.
... motiviert Mitarbeiter zu eigenständiger Arbeit. Die Führungskraft nimmt sich Zeit, auf dem Laufenden zu sein, die Meinung der Mitarbeiter zu hören bzw. sie in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Letztlich trifft die Führungskraft Entscheidungen jedoch selbst!
Mögliche Reaktionen von Mitarbeitern sind Akzeptanz über die gewährte Freizügigkeit und das ihnen entgegengebrachte Interesse, möglicherweise jedoch eine gewisse Ambivalenz oder auch Frustration, wenn ihre Meinung zu selten berücksichtigt wird.
Das Leistungspotenzial ist mittelfristig hoch, wenn genügend Transparenz über die finale Entscheidungsgrundlage geschaffen wird.
... strebt danach, die Mitarbeiter maximal zu aktivieren und sie Entscheidungen selbst finden zu lassen. Die Führungskraft sieht sich eher als Koordinator und fordert aktiv zu Kritik und Ideen auf.
Mögliche Reaktionen darauf sind eine hohe soziale Zusammengehörigkeit: das Wir-Gefühl wird gefördert und die Führungskraft erlebt sich als echtes Mitglied der Gruppe. Auch die Verantwortung für die Aufgabe ist hoch und der Einzelne gewinnt eine hohe Selbständigkeit.
Das Leistungspotenzial ist auf lange Sicht gut! Möglicherweise leidet kurzfristig die Quantität auf Kosten einer höheren Qualität. Problematisch ist dieser Führungsstil nur in Krisensituationen, weil er aufgrund interner Abstimmungsprozesse langwieriger ist.
Projektleiter werden sich voraussichtlich am stärksten im kooperativen oder demokratischen Führungsstil wiederfinden, was auch den hohen und oft unterschätzten Zeitbedarf innerhalb der Phasen von Projektinitiierung bis zu einer hohen Produktivität erklärt.
Abstimmungsprozesse benötigen Zeit, insbesondere wenn sich Projektmitarbeiter wenig kennen, im zeitlichen Verlauf des Projektes wechseln oder gar dezentral am Projekt beteiligt sind.
Projektleitern fehlt die Autorität zu klaren Anweisungen! Obwohl der autoritäre wie auch der patriachalische Führungsstil weniger zeitgemäß sind, gibt es Phasen, in denen er hilfreich ist – sei es bei Krisen oder kurzfristigen Engpässen wie technischen Ausfällen.
Denn dann ist keine Zeit für lange Diskussionen, und eine klare Führung kann für Ruhe sorgen und die Arbeitsfähigkeit aller sicherstellen.
Hier zeigt sich, dass Projektleiter ihre eigene Form der praktikablen und notfalls schnellen Entscheidungsfindung ableiten müssen. Die klassischen Führungsstile zeigen dabei nachdrücklich, dass es verschiedene Wege gibt, um ein und dasselbe Ziel zu erreichen.
Manches passt womöglich zu Ihnen als Projektleiter und zu Ihrem Team, anderes wäre vielleicht noch zielführender!
In unseren Trainings beleuchten wir deshalb immer Fallbeispiele aus Ihrer konkreten Praxis. So können wir sicherstellen, dass die Theorie nicht isoliert steht, sondern sich direkt in Ihrem Arbeitsalltag hilfreich auswirkt.
Neben der Partizipation müssen jedoch weitere Einflussgrößen berücksichtigt werden, etwa situative Erfordernisse. Auch die Persönlichkeit von Projektleiter und Projektmitarbeitern hat Einfluss auf die Art der Führung, wie bereits angedeutet.
Nicht zuletzt prägen auch die Erfahrungen, wie Mitarbeiter auf bestimmte Führungsstile reagieren, die Entscheidung, welcher Weg sich als sinnvoll herausstellt.
Im vierten Teil unserer Serie stellen wir Ihnen deshalb den Ansatz des situativen Führens nach Blanchard und Hersey vor.
Bleiben Sie dran!
Teil 1: Was laterale Führung so besonders macht
Teil 2: So meistern Sie die Rollenvielfalt
Teil 3: Klassische Führungsstile (dieser Artikel)
Teil 5: Motivieren für Projektleiter
Teil 6: Mit agilen PM-Methoden erfolgreicher führen
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