Psychologie für Projektmanager: Rollen in erfolgreichen Projektteams
Ein Gastartikel von Leif Rogel
Wer einer Routinearbeit in einer traditionellen Aufbauorganisation nachgeht, zum Beispiel Gehälter auszahlen in einem Großunternehmen oder Schrauben herstellen in einer Fabrik, kann grundsätzlich von der Ausbildung bis zur Rente mit mehr oder weniger den gleichen Arbeitskollegen zusammenarbeiten.
Dabei lernt man diese gut kennen, sowohl deren gute als auch die weniger guten Seiten und Eigenarten. Im Laufe der Jahre etabliert sich in der Abteilung eine Ordnung, eine Teamstruktur, und man lernt, wie man mit den anderen Kollegen individuell umgehen kann.
In der Projektarbeit werden ständig neue Aufgaben bewältigt.
Da unterschiedliche Aufgaben unterschiedliche Kompetenzen verlangen, werden die Organisation und das Team für jedes Projekt neu zusammengestellt, um den anstehenden Herausforderungen zu begegnen.
Wer die Psychologie solcher Situationen versteht, kann das Verhalten der Kollegen besser einschätzen und gegebenenfalls in die richtige Richtung lenken.
Was passiert,
- wenn Leute sich zum ersten Mal sehen, wie Menschen auf unbekannte Situationen reagieren
- wie sich Verhaltensnormen in Projektteams sehr schnell etablieren
- wie aus einer Projektgruppe ein Projektteam entsteht,
- wie die Unternehmenskultur die Projektarbeit beeinflusst und
- wie persönliche Konflikte schnell zu Störfaktoren der Projektarbeit werden,
sind alle für Projektmanager wichtige Themen.
Es wird von einem erfolgreichen Projektmanager erwartet, dass er mit all diesen Aspekten und Faktoren menschlichen Verhaltens umgehen kann und diese in seinem Projektmanagement berücksichtigt.
„Ausgewogene Projektteams“ leisten besser
„Ausgewogene Projektteams“ leisten besser
In einer Projektorganisation existieren unterschiedliche Rollen, die alle Beteiligte annehmen. Zum einen gibt es die formalen Rollen. Darunter sind die Rollen zu verstehen, die durch die Projektorganisation definiert werden. Dies sind die offiziellen Mitarbeiterbezeichnungen und -rollen. So wird zum Beispiel ein Projektauftraggeber benannt, ein Lenkungsausschuss wird berufen und der Projektleiter wird beauftragt.
Neben den formalen Rollen gibt es ebenso informale Rollen, also spontane Verhaltenspräferenzen und Verhaltensmuster, mit denen sich Menschen wohlfühlen, wenn sie sich in Gruppensituationen befinden.
Unterschiedliche Psychologen haben inzwischen eine ganze Reihe an verschiedenen Modellen für spontane und formelle Gruppenrollen erstellt. Zu den etabliertesten und bekanntesten gehören die Teamrollen nach Belbin.
Meredith Belbin hat neun Gruppenrollen beschrieben, die allesamt durch ein typisches und ausgeprägtes Verhalten in Gruppenkonstellationen gekennzeichnet sind.
Allerdings ist es in der Realität selten so, dass sich ein Mensch nur mit einer Gruppenrolle identifizieren kann. Die meisten Menschen können sich mit Merkmalen unterschiedlicher Rollen identifizieren.
Gleichzeitig kann eine Person meist die Mehrheit ihrer Verhaltenszüge einer oder höchstens zwei Rollen zuordnen. Wer die eigene Präferenz der Gruppenrollen nach Belbin herausfinden möchte, kann den folgenden Persönlichkeitstest (auf Englisch) verwenden, der zu einer ersten Einschätzung des eigenen Gruppenverhaltens beitragen kann: https://testyourself.psychtests.com/testid/3113
"Die Teamrollen von Belbin können drei übergeordneten Kategorien zugeordnet werden"
Wichtig zu beachten ist hierbei, dass es sich bei den beschriebenen Rollen um Verhaltensweisen handelt und nicht um Persönlichkeitsmerkmale.
Wenn ich also die Stelle oder das Projektteam wechsle, muss ich gegebenenfalls mein Verhalten ändern, meine Persönlichkeit ändert sich durch den Stellenwechsel jedoch nicht.
Die kommunikationsorientierten Rollen sind:
- Teamarbeiter (fördert die Zusammenarbeit und Stimmung der Gruppe)
- Koordinator (agiert als Vorsitzender der Gruppe)
- Wegbereiter (untersucht interne und externe Kooperationsmöglichkeiten)
Die wissensorientierten Rollen sind:
- Beobachter (analysiert die unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten)
- Neuerer (schlägt neue Ideen und Vorgehensweisen vor)
- Spezialist (trägt Fachwissen bei)
Die handlungsorientierten Rollen sind:
- Macher (fordert das Team heraus, damit es besser leistet)
- Perfektionist (sorgt für eine vollständige und zeitgerechte Fertigstellung)
- Umsetzer (setzt sich für die praktische Umsetzung von Ideen ein)
Bei der Teamzusammensetzung muss der Projektleiter darauf achten, dass alle notwendigen Kompetenzen und Fachexpertisen im Projektteam vorhanden sind.
Außerdem muss er alle formalen Rollen mit den richtigen Personen und Kollegen besetzen. Um ein Team zu schaffen, das Spitzenleistungen erbringen kann, braucht es jedoch mehr als nur Kompetenz und eine deutliche Zuordnung von Verantwortlichkeiten.
Es ist dabei ebenso wichtig, zu beachten, dass die Projektteammitglieder zueinander passen und gut zusammenarbeiten können. Dies stellt jedoch den Projektleiter vor eine Herausforderung, da Menschen vor allem mit Kollegen zusammenarbeiten wollen, die ähnliche Gruppenrollen einnehmen. Allerdings erbringen Teams mit einer ausgewogenen Zusammensetzung - in denen also alle Teamrollen vorhanden sind - am Ende die besseren Leistungen.
Die Theorien von Belbin besagen, dass Menschen – wenn sie sich ihre Kollegen frei aussuchen können – am liebsten mit Menschen zusammenarbeiten, die die gleiche oder eine ähnliche Präferenz für eine Teamrolle habe. Diese Teams zeigen in der Regel nicht die besten Leistungen.
"Bessere Leistungen zeigen Teams, in denen alle neun Teamrollen vorhanden sind. Man nennt diese Teams auch ausgewogene Teams."
Konflikte sind ein natürlicher und wichtiger Teil der Teamentwicklung
Nicht nur Gruppenrollen sind bei der Zusammensetzung und Leistung eines Projektteams wichtig.
Ein Team bewegt sich nach seiner Entstehung durch mehrere Phasen, die durch unterschiedliches Verhalten charakterisiert sind. Mithilfe eines Teamentwicklungsmodells erhält der Projektleiter zusätzliche Hinweise auf die Zusammenarbeit und Interaktion in der Gruppe und kann sein Führungsverhalten entsprechend anpassen.
Jedes Team ist natürlich anders, daher können sich die Phasen im Einzelfall sehr unterschiedlich gestalten. Sie stellen jedoch eine Grundlage für den Projektleiter dar, um das Team effektiv und erfolgreich durch die unterschiedlichen Phasen zu lotsen.
Es ist auch wichtig, zu bedenken, dass ein Team alle Phasen durchlaufen muss, bevor es die Hochleistungsphase erreichen kann. Es hilft also nicht, wenn sich der Projektleiter direkt zu Beginn darüber aufregt, dass zum Beispiel Konflikte entstehen. Diese sind stattdessen als natürlicher und wichtiger Bestandteil der Teamentwicklung zu betrachten und der Projektleiter sollte sich bemühen, diesen Entwicklungsschritt zu unterstützen, damit sich das Team so bald wie möglich in die nächste Phase begeben kann.
Zusammenfassung
In Projektteams gibt es sowohl formale als auch informelle Rollen. Die formalen Rollen sind die durch den Vorgesetzen zugeordneten Rollen, zum Beispiel Projektleiter oder Projektauftraggeber. Die informellen Rollen sind grundsätzlich als Verhaltensmuster zu verstehen und für die Projektteammitglieder und deren Zusammenarbeit wichtiger als die formalen Rollen.
Ein einfaches und wichtiges Modell für informelle Rollen sind die neun Teamrollen von Belbin. Die wichtigste Botschaft rund um das Modell von Belbin besteht darin, dass man die unterschiedlichen Stärken und Schwächen der Mitglieder des Projektteams akzeptiert und versucht, diese so gut wie möglich einzusetzen.
Die unterschiedlichen Verhaltensweisen nach Belbin führen dazu, dass Reibungen und Konflikte entstehen, wenn die verschiedenen Arbeitsweisen aufeinanderstoßen. Damit ein Projektteam die Hochleistungsphase erreichen kann, muss es zwangsläufig durch die Konfliktphase gehen. Das heißt, dass Konflikte und Reibungen in einem Projektteam an sich nichts Schlechtes oder Vermeidbares darstellen, sondern ein natürlicher und notwendiger Teil der Teamentwicklung sind, mit dem sich der Projektmanager intensiv beschäftigen muss.
Psychologisches Projektmanagement – Das Buch
Video: Teamrollen nach Belbin - Wie Sie hochperformante Teams formen!
Wie sollten hochleistungsfähige Teams zusammengesetzt sein? Welche Teamrollen sollten belegt sein? Lernen Sie die einzelnen Teamrollen nach Belbin in diesem Video noch genauer kennen – Reinschauen lohnt sich!
Über den Autor
Experte für berufliche Weiterbildung und Personalentwicklung. Kontaktanfrage gerne auch bei LinkedIn:
Weitere Artikel
Teambildung: In 5 Phasen zum erfolgreichen Projekt-Team!
Neue Teams stehen vor neuen Herausforderungen: Je besser sie sich zusammenraufen, desto besser gelingt ihnen die Projektarbeit!
1965 visualisierte der Psychologe Bruce Tuckman mit einem verständlichen Modell, wie erfolgreriche Teams fünf Phasen einer Gruppenentwicklung durchlaufen. Heute, im modernen Projektmanagement sind seine Erkenntnisse immer noch gültig.
Sein Modell illustriert, dass jedes Team fünf Entwicklungsphasen durchläuft. Das passiert immer nach dem gleichen Muster: Wenn das Team sich neu gründet, wenn ein Mitglied die Gruppe verlässt oder wenn ein neues dazustößt. Projektgröße, Projektauftrag, Branche und Unternehmensumfeld spielen dabei keine Rolle.
Projektverantwortliche, die mit Tuckmans Fünf-Phasen-Modell vertraut sind, schaffen eine wichtige Basis für erfolgreiche Projekte.
Projektarbeit ist Teamarbeit
Im Projektmanagement ist effiziente Teamarbeit der Schlüssel zum Erfolg. Ob Architekt, Designer, Entwickler, Controller oder Visionär, Entscheider und Anführer – der professionelle Projektleiter kann und darf nicht alle Rollen selbst spielen.
Er braucht Unterstützung. Dazu formt er aus Einzelkämpfern das perfekte Projekt-Team.
Soft Skills im Projekt: Erfolgreiche Kommunikation im Team (Teil 3)
Teil 3 (von 6): „Ohne Kommunikation ist alles nichts“, sagte sich Projektmanager Thomas Bauer und informierte sein Team im Meeting über jede Reaktion der beteiligten Stakeholder.
Auch als das Projekt akut auf der Kippe stand, wollte er niemandem falsche Tatsachen vorspielen. Er gab seine Information ungefiltert weiter und setzte auf die Kraft der Transparenz.
Kommunikation in Projekten: erfolgreich kommunizieren im Projektteam
Small Talk in der Raucherecke, Diskussionen im Statusmeeting und Präsentationen vor Entscheidern: Kommunikation in alle Himmelsrichtungen ist die wichtigste Aufgabe des Projektleiters.
Wer meint, sein Projekt per E-Mail von seinem Bürotisch aus zu steuern, liegt falsch. Warum Kommunikation in Projekten wichtig ist, beschreibt dieser Artikel.