Unerwartet hohe Projektkosten, mehrfaches Verschieben des Liefertermins und miserable Kundenzufriedenheit – die Liste mit den Problemen im Projektgeschäft kann unerträglich lang werden.
Oft ist nur die Wirkung präsent, doch die Ursachen bleiben versteckt. Ursachen? Sind es wirklich mehrere? Oder gibt es nur eine Quelle allen Übels?
Mit dem Ishikawa-Diagramm zerlegt der Projektleiter ein Problem in Haupt- und Nebenursachen. Wie macht er das? Antworten darauf erhalten Sie in diesem Beitrag.
Ishikawa-Diagramm und die Struktur der sechs „M‘s“
Das Project Management Institute (PMI®) beschreibt das Ishikawa Diagramm als Hilfsmittel zur Entscheidungsfindung.
Der Guide to the Project Management Body of Knowledge (PMBok®) im Prozess „Qualität managen“ definiert das Ursache-Wirkungs-Diagramm oder Ishikawa-Diagramm als Methode, die „die Ursachen der angegebenen Problemaussage in separate Bereiche aufschlüsselt und dadurch hilft, die Grundursache des Problems zu identifizieren“.
Im Kopf des Fischgräten-Diagramms, wie das Ishikawa-Diagramm auch bezeichnet wird, beschreibt der Projektleiter möglichst kompakt und aussagekräftig die Herausforderung, die es zu lösen gilt.
Weitere bekannte Bezeichnungen: Fishbone-Diagram, Cause and Effect Diagram oder Ursache-Wirkungs-Diagramm
Das Skelett des Fisches besteht aus Rückgrat und jeweils drei nach oben und unten abstehenden Gräten.
Grafisch erinnert die Darstellung an eine Mindmap. An den Gräten trägt der Projektleiter die Hauptursachen (Kategorien) ein. An den Unterästen sammelt er die Nebenursachen.
Die sechs "Ms"
Manchmal ist es nicht einfach, die relevanten Haupt- und Nebenursachen zu finden, oder es besteht die Gefahr, dass sich die Einträge inhaltlich überdecken. Um das zu verhindern, kann der Projektleiter die Struktur der sechs „M‘s“ nutzen.
Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Ursache-Wirkungs-Diagramm
- Mensch: Oft ist es der Anwender, der Mensch, der durch sein Handeln Probleme hervorruft.
- Maschine: Kommen die richtigen Arbeitsmittel zum Einsatz? Arbeiten sie fehlerfrei?
- Milieu: Wie gestaltet sich das Unternehmens- oder Projektumwelt hinsichtlich Kundenbeziehungen, rechtlicher Rahmenbedingungen oder interner Prozessabläufe?
- Material: Ist das verwendete Material das passende? Besitzt es ausreichende Qualität?
- Methode: Sind die verwendeten Tools und Techniken die richtigen? Passen die Arbeitsabläufe?
- Messung: Wurde korrekt gemessen? Messen die Messmittel genau genug?
Die oben abgebildete Darstellung dient als Beispiel. Sie ist nicht zwingend.
Der Projektleiter kann mehr oder weniger Hauptäste verwenden und diese mit anderen Kategorien betiteln, wenn es seine Projektsituation erfordert.
Beispiel
Im Rahmen eines IT-Projektes könnten die Oberbegriffe wie folgt lauten: Hardware, Software, Sicherheit, Partner und Prozesse.
Mehrwert schaffen mit dem Ishikawa-Diagramm
- Das Ishikawa-Diagramm verschafft Transparenz in einem komplexen Sachverhalt, indem es ein Problem in Haupt- und Nebenursachen aufsplittet.
- Durch die Kategorisierung ergibt sich eine grafische Darstellung. Ein Bild spricht mehr als tausend Worte.
- Durch die grafische Darstellung halten die Beteiligten „etwas in der Hand“. So kann die Diskussion über die Ursachen zielgerichteter geführt werden. Die Zusammenhänge zwischen Ursachen und Wirkung werden sichtbar.
- Das Ishikawa-Diagramm hilft, die Produkt- und Servicequalität zu verbessern. Damit steigt die Zufriedenheit der Kunden. Weitere Vorteile des Ishikawa-Diagramms sind: Kosten senken, Abläufe optimieren und die Produktivität steigern.
- Durch das Dokumentieren von Ursachen und Wirkung ergeben sich wertvolle historische Informationen. Diese können Auftraggeber, Stakeholder, Projektleiter und Projektmitarbeiter für den weiteren Projektablauf verwenden. Auch andere Projekte können die Erfahrungen im Rahmen von Lessons Learned nutzen.
- Aber: möglicherweise ist das Erstellen des Ishikawa-Diagramms aufwendig. Denn der Projektleiter oder ein von ihm benannter Mitarbeiter muss ein Brainstorming organisieren und moderieren, in dem Ideen gesammelt und analysiert werden. Abschließend wären die wichtigsten Erkenntnisse zu extrahieren.
- Der Schwerpunkt der Methode liegt im Aufzeigen der Ursachen und deren Zusammenhang mit der Wirkung. Lösungen darf der Anwender vom Ishikawa-Diagramm nicht erwarten.
Sechs Schritte zum Ishikawa-Diagramm
Die sechs Schritte sind selbsterklärend und intuitiv anzuwenden.
1. Problem kompakt beschreiben und in den Kopf des Fisches eintragen
2. Hauptursachen des Problems ermitteln und an den Enden der Gräten einfügen
3. Detailinformationen zu den Hauptursachen recherchieren und in das Diagramm übernehmen
4. Plausibilitätscheck: An alles gedacht?
5. Hauptursachen gewichten und sich auf die wichtigsten konzentrieren
6. Plausibilitätscheck: An alles gedacht?
Der nun folgende Schritt gehört zwar nicht zur Erstellung des Ishikawa-Diagramm sollte jedoch nicht vergessen werden: Handlungen ableiten und umsetzen.
Um die Haupt- und Nebenursachen ermitteln zu können, ist der fachliche Input von verschiedenen Experten hilfreich. Es bietet sich an, ein Brainstorming zu organisieren, in dem ein Moderator die Teilnehmer ermuntert, eingefahrene Prozesse oder Denkweisen infrage zu stellen.
Drei Tipps für Projektleiter
- Oft scheint es schwer zu sein, den Dingen auf den Grund zu gehen. Doch klar ist: Wer fragt, der führt. Das gilt auch hier. Fragen führen zielgerichteter durch Situationen, die unklar erscheinen.
Sie könnten Warum-Fragen nutzen.
Beispiel: Die Umsatzzahlen unseres Onlineverkaufes gehen seit Tagen zurück.
Warum? Weil der Kunde nur noch mit Kreditkarte bezahlen kann.
Warum? Es werden keine anderen Zahlungsmethoden mehr angeboten.
Warum? Weil der externe Programmierer die Arbeiten nicht fertigstellte.
Warum? Weil die Tester zu viele Fehler aufdeckten.
Warum? Offensichtlich gab es fehlerhafte Konfigurationen an den Webservern.
Warum? Und so weiter.
- Nutzen Sie Papier und Stift sowie Software und Vorlagen: Im digitalen Zeitalter mag es merkwürdig klingen, aber am kreativsten schreibt es sich mit der Hand. Das gilt auch für das Ishikawa-Diagramm. Wenn Sie die Möglichkeit haben, entwickeln Sie es mit Ihren Kollegen per Hand auf einem DIN-A0-Papier oder Flipchart.
Hängen Sie sich das fertig erstellte Ishikawa-Diagramm ins Büro, so dass Sie es von Ihrem Arbeitsplatz aus sehen können. Ihr Unterbewusstsein wird sich mit dem Bild beschäftigen. Sie werden erstaunt sein, welche Gedanken zu unerwarteten Zeitpunkten durch Ihren Kopf blitzen.
Doch auch die Unterstützung durch Softwareprodukte hilft, Ursachen für ein Problem aufzuspüren. Das Freeware-Tool Xmind liefert ein Template auch der kostenpflichtige Mindjet Manager bietet eine solche Vorlage. Für den professionellen Büroarbeiter ergeben sich Möglichkeiten aus Bordmitteln des Office-365-Paketes: PowerPoint bietet fertige Musterfolien zum praktischen Einsatz.
- Wissen nutzen: Was nutzt Ihnen das neue Wissen, wenn Sie es nicht umsetzen? Leiten Sie Maßnahmen ab! Wenn Sie sich zwischen mehreren Optionen entscheiden müssen, priorisieren Sie sie. Konzentrieren Sie sich auf die, die Ihnen den größten Mehrwert versprechen.
Weitere Artikel
Über den Autor
Werner Plewa
Projektmanager, Experte für berufliche Weiterbildung und Personalentwicklung. Kontaktanfrage gerne auch bei LinkedIn: