Erwischt! Wie sollen Führungskräfte mit unerwünschtem Verhalten umgehen?
Moralisch einwandfreies Handeln im Unternehmen – Erklären liefert bessere Ergebnisse als Strafen.
Führungskräfte sind dazu angehalten, darauf zu achten, dass es in ihrer Abteilung nicht zu Unregelmäßigkeiten kommt wie Diebstahl, Betrug oder Bestechung.
Die möglichen Schäden sind groß: Werden Unregelmäßigkeiten zur Norm, kann es zu einem doppelbödigen Betriebsklima kommen. Im schlimmsten Fall gerät ein Unternehmen mit einem Betrugsfall in die Presse und muss einen Image-Schaden hinnehmen.
Führungskräfte im Dilemma zwischen Maß und Konsequenz
“Wehret den Anfängen”, kann man da nur sagen. Tatsächlich berichten in der Harvard Business Review die Autoren Francesca Gino, Lisa D. Ordóñez und David Welsh von verschiedenen Versuchen und Beobachtungen, die eines nahe legen: Betrug und unethisches Verhalten fängt im Kleinen an.
Wird das Verhalten nicht sanktioniert, wird es zur Gewohnheit und breitet sich aus. Die Autoren sprechen sich für klare Verhaltensrichtlinien aus und empfehlen, einem Delinquenten auf jeden Fall einen Stups zu geben und auch Kleinigkeiten nicht durchgehen zu lassen.
Der Hinweis klingt vernünftig, offen bleibt aber, wer den “Stups” geben soll: Detlev Wieder schreibt in der jüngsten "managerSeminare", dass viele Compliance-Initiativen daran scheitern, dass das “wache Unrechtsbewusstsein” in den Unternehmen fehle.
Zugleich müssten häufig nicht die Täter, sondern die Whistleblower mit Sanktionen rechnen, da sie sich den Ruf des Nestbeschmutzers einhandelten. Beides führe zu Resignation und Schweigen.
Außerdem muss man sich fragen, ob ein kleiner Anstoß genügt, um unerwünschtes Verhalten nachhaltig zu unterbinden. Eine schwierige Entscheidung für Führungskräfte: Gilt alles oder nichts? In der Vergangenheit sind mehrere Fälle bekannt geworden, bei denen Mitarbeiter wegen kleiner Vergehen fristlos entlassen wurden.
Eine Sekretärin etwa wurde gekündigt, weil sie vom Tisch des Chefs zwei Brötchen und eine Frikadelle entwendet hatte. Sind derart drastische Maßnahmen angemessen? Grundsätzlich dürfen Führungskräfte und Arbeitgeber auf die Zustimmung seitens der Gerichte hoffen, wenn es nach einer Kündigung zu einem Prozess kommt. Was zählt, ist das zerstörte Vertrauensverhältnis.
Besser: Lüge und Betrug keine Nahrung geben
Alles in allem bleibt ein ungutes Gefühl. Moralisches Verhalten ist erstrebenswert, aber die Wirkung von Regelwerken hat ihre Grenzen – und wer will schon in einer Atmosphäre des sich gegenseitigen Kontrollierens oder gar Bespitzelns leben?
Ein sympathischerer Ansatz kommt aus der Psychologie. Forscher haben herausgefunden, dass die Angst, erwischt zu werden, keine so große Rolle spielt. Das erklärt, weshalb Regeln keine schlussendliche Antwort geben können. Führungskräfte können Lüge und Betrug aber vorbeugen, denn es gibt Situationen, die Fehlverhalten fördern:
- Hoher Leistungsdruck
Menschen neigen zum Schummeln, wenn sie über Gebühr unter Druck gesetzt werden und das Gefühl haben, “es” nicht schaffen zu können.
- Protzige Demonstration von Reichtum
Wenn sich ein Unternehmen eine Empfangshalle ausgekleidet in Marmor leistet und mit den Umsätzen prahlt, dann kann es doch nicht so schlimm sein, einen Stift mitgehen zu lassen, oder? Menschen halten sich schadlos, wenn andere so offensichtlich mehr haben. Was sie treibt, ist das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein.
- Distanz und Abstraktion
Wenige Menschen lassen einen 20-Euro-Schein mitgehen. Wenn aber irgendwo 20 Euro nicht gebucht werden, haben sie kein Problem damit. Die Distanz und der fehlende persönliche Bezug lassen das Vergehen kleiner erscheinen.
Moralisches Handeln ist nichts, was einer strengen Logik folgt. Vielmehr geben sich Menschen ihre eigenen Regeln. Innerhalb ihres Rahmens rechtfertigen sie moralische Überschreitungen vor sich selbst. Weiter gehen sie aber nicht, denn darüber hinaus, würden sie ihr Selbstbild gefährden.
Die Forscher haben festgestellt, dass Menschen weniger mogeln, wenn sie aus persönlicher Überzeugung korrekt handeln als, wenn sie Angst vor Strafen haben. Das ist der Ansatzpunkt, dessen sich Führungskräfte bedienen können: Rufen Sie moralisch korrektes Verhalten immer wieder in das Gedächtnis Ihrer Mitarbeiter.
In einem etwas skurrilen Versuch ließen Forscher ihre Probanden die Zehn Gebote aufschreiben. Danach schummelten sie weniger. Der Versuch ist wenig praxistauglich, weist aber in eine Richtung. Erklären Sie Ihren Mitarbeitern den Sinn Ihrer Compliance-Regeln und versuchen Sie sie dafür zu gewinnen, sich darauf festzulegen.
Über den Autor
Experte für berufliche Weiterbildung und Personalentwicklung. Kontaktanfrage gerne auch bei LinkedIn: